Umsetzung in der EU
Die Europäische Union (EU) hat das Nagoya-Protokoll am 16. Mai 2014 ratifiziert. Das Nagoya-Protokoll wurde in der EU mit der Verordnung (EU) 511/2014) umgesetzt. Diese ist mit Inkrafttreten des Nagoya Protokoll am 12. Oktober 2014 gültig.
Geografischer Anwendungsbereich
Die EU Verordnung gilt nur für genetische Ressourcen, über die Staaten souveräne Rechte ausüben. Somit liegt die Befugnis den Zugang zu genetischen Ressourcen zu bestimmen, bei den Regierungen der einzelnen Staaten (Art. 2, Abs. 1 der EU VO). Außerdem gilt die EU Verordnung nur für genetische Ressourcen aus Bereitstellerländern, die das Nagoya Protokoll unterzeichnet haben und anwendbare Zugangsregelungen erlassen haben.
Zeitlicher Anwendungsbereich
Der Zugang zu der genetischen Ressource und deren Nutzung muss seit dem 12. Oktober 2014 erfolgt sein.
Materieller Anwendungsbereich
Genetische Ressourcen definiert die EU Verordnung als genetisches Material von tatsächlichem oder potentiellem Wert, wobei unter genetischem Material wiederum jedes Material pflanzlichen, tierischen, mikrobiellen oder sonstigen Ursprungs zu verstehen ist, das funktionelle Erbeinheiten enthält. (Art. 3, Nr. 1 und 2 der EU VO)
Die EU Verordnung gilt nicht für genetische Ressourcen, bei denen Zugang und Vorteilsausgleich unter besondere internationale Regelungen fallen (Internationaler Vertrag für pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft, Rahmenwerk für pandemische Grippeviren der Weltgesundheitsorganisation) - siehe unter: weitere internationale ABS Regelungen
Außerdem fällt der Handel mit und der Austausch von genetischen Ressourcen als Waren (z.B. Erzeugnisse der Landwirtschaft) nicht unter die EU Verordnung. Die Nutzungsabsicht ändert sich aber, wenn an genetischen Ressourcen, die ursprünglich als Waren in die EU eingeführt wurden Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten durchgeführt werden. Bei einer solchen Nutzungsänderung wird vom Nutzer erwartet, sich an das Bereitstellerland zu wenden und zu klären, ob eine vorherige Zustimmung und einvernehmlich festgelegte Bedingungen für diese Art der Nutzung der genetischen Ressource erforderlich sind.
Als traditionelles Wissen, das sich auf genetische Ressourcen bezieht, gilt traditionelles Wissen einer indigenen oder ortsansässigen Gemeinschaft, das für die Nutzung der genetischen Ressourcen relevant ist und das in den einvernehmlich festgelegten Bedingungen für die Nutzung genetischer Ressourcen als solches beschrieben ist. (Art. 3, Nr. 7 der EU VO)
Nutzung von genetischen Ressourcen, bedeutet das Durchführen von Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung genetischer Ressourcen, einschließlich durch die Anwendung von Biotechnologie im Sinne des Artikels 2 des Übereinkommens. (Art. 3, Nr. 5 der EU VO)
Personenbezogener Anwendungsbereich
Ein Nutzer ist eine natürliche oder juristische Person, die genetische Ressourcen oder traditionelles Wissen, das sich auf genetischen Ressourcen bezieht, nutzt. Die in der EU Verordnung vorgeschriebene Sorgfaltspflicht gilt für alle Nutzer von genetischen Ressourcen, die in den Anwendungsbereich der EU Verordnung fallen. Die EU-Gesetzgebung beinhaltet lediglich Regelungen zu Nutzermaßnahmen (Compliance).
Verpflichtungen der Nutzer
Die Nutzer gehen mit der gebotenen Sorgfalt vor, um festzustellen, dass der Zugang zu den genetischen Ressourcen und dem traditionellen Wissen, das sich auf genetische Ressourcen bezieht, die bzw. das sie nutzen,
- im Einklang mit den geltenden Gesetzen oder sonstigen rechtlichen Anforderungen zum Zugang und zur Aufteilung der Vorteile erfolgt ist, und
- dass die Vorteile ausgewogen und gerecht zu einvernehmlich festgelegten Bedingungen im Einklang mit den geltenden Gesetzen oder sonstigen rechtlichen Anforderungen aufgeteilt werden.
Durch die gebotene Sorgfaltspflicht soll gewährleistet werden, dass die erforderlichen Informationen in Zusammenhang mit den genetischen Ressourcen entlang der gesamten Wertschöpfungskette in der EU verfügbar sind.
Zum Nachweis der gebotenen Sorgfaltspflicht müssen Nutzer bestimmte Informationen einholen. Diese kann zum einen durch das international anerkannte Konformitätszertifikat nachgewiesen werden oder, wenn diese nicht vorhanden ist, durch das Einholen der Information gem. Art. 4 Abs. 3 lit. B der EU-VO.
Das international anerkannte Konformitätszertifikat (IAKZ) ist eine Genehmigung oder ein gleichwertiges Dokument, das zum Nachweis der Erteilung einer vorherigen informierten Zustimmung und der Vereinbarung einvernehmlich festgelegter Bedingungen von der zuständigen Behörde im Herkunftsland ausgestellt und beim internationalen ABS Clearing-House gemeldet und veröffentlicht wird.
Information gem. Art. 4 Abs. 3 lit. B EU-VO
- Zeitpunkt und Ort des Zugangs
- Beschreibung der genetischen Ressourcen
- Bezugsquelle und nachfolgende Nutzer
- Vorliegen bzw. Fehlen von Rechten und Pflichten hinsichtlich des Zugangs des Vorteilsausgleichs, der Anwendung und Vermarktung
- gegebenenfalls Zugangsgenehmigungen, darunter gegebenenfalls Bestimmungen für den Vorteilsausgleich.
Registrierte Sammlungen
Die EU Kommission führt ein internet-basiertes Register von Sammlungen. Das Register ist ein freiwilliges, internetgestütztes Instrument, das die Nutzer bei der Erfüllung ihrer Sorgfaltspflicht unterstützen soll (Art. 5 EU-VO). Ist eine Sammlung registriert worden, so soll damit für die Nutzer gewährleistet sein, dass sie von der Sammlung zusammen mit der genetischen Ressource auch die erforderlichen Informationen erhalten. Ein Mitgliedstaat prüft auf Antrag eines Sammlungsinhabers in seinem Hoheitsbereich, ob diese Sammlung oder ein Teil davon, die Kriterien gem. Abs. 3 zur Aufnahme in das Register erfüllt.
Erfordernisse einer Sorgfaltserklärung
Die erste Kontrollstelle (gem. Art.7, Abs.1 EU-VO) betrifft die Forschungsfinanzierung. Eine Sorgfaltserklärung ist abzugeben, wenn für ein Forschungsvorhaben, bei dem genetische Ressourcen und sich darauf beziehendes traditionelles Wissen genutzt werden, eine externe Finanzierung in Form eines Zuschusses gewährt wird.
Die zweite Kontrollstelle an der Nutzer eine Sorgfaltserklärung abgeben müssen, ist die letzte Phase der Entwicklung eines Produkts, für dessen Entwicklung genetische Ressourcen oder sich darauf beziehendes traditionelles Wissen genutzt werden.
Die EU Kommission hat mit der Durchführungsverordnung (EU) 2015/1866) vom 13. Oktober 2015 Durchführungsbestimmungen zur EU Verordnung Nr. 511/2014 in Bezug auf das Register von Sammlungen, die Überwachung der Einhaltung der Vorschriften durch die Nutzer und bewährte Verfahren erlassen.
Am 27. August 2016 ist der Leitfaden zum Anwendungsbereich und den Kernverpflichtungen der EU Verordnung Nr. 511/2014 veröffentlicht worden. Der Leitfaden soll eine Hilfestellung bei der Anwendung der EU Verordnung und der Durchführungsverordnung sein. Er ist rechtlich nicht bindend.
Die EU Kommission erarbeitet weitere spezielle Leitfäden für die folgenden Sektoren: Tierzucht, Pflanzenzucht, Kosmetik, Biotechnologie, Pharmazie, Nahrungs- und Genussmittel, Biocontrol sowie Grundlagenforschung.